“Morgen ist oft der stressigste Tag der Woche”.
So lautet eine beliebte Redewendeung, die das Phänomen der Prokrastinitis auf den Punkt bringt. Wir wollen mehr machen, als es uns mit unserer knappen Zeit möglich ist. Deshalb verschieben wir lieber auf Morgen, was sich heute nicht lässt besorgen.
Kein Wunder, dass Prokrastination in der Business-Literatur als ernsthaftes Problem dargestellt wird, das durch verschiedenste psychologische Tricks tunlichst überwunden werden muss.
Als ich jedoch vor mehreren Jahren das Buch “Antifragilität” von einem der besten Denker unserer Zeit – Nassim Taleb – las, stieß ich auf einen Satz, der mich ins Grübeln brachte:
“Few understand that procrastination is our natural defense, letting things take care of themselves and exercise their antifragility; it results from some ecological or naturalistic wisdom, and is not always bad — at an existential level, it is my body rebelling against its entrapment. It is my soul fighting the Procrustean bed of modernity”
Die deutsche Übersetzung lautet in etwa:
“Nur wenige verstehen, dass Prokrastination unser natürlicher Schutz ist, in dem wir die Dinge sich selbst und ihrer Antifragilität überlassen. Es resultiert aus einer ökologischen oder naturalistischen Weisheit und ist nicht immer schlecht – auf einer existentialistischen Ebene ist es mein Körper, der gegen seine Eingeschlossenheit rebelliert. Es ist meine Seele, die gegen das Prokrustesbett der Moderne ankämpft.”
Prokrastination ist so gesehen eine Strategie des Körpers, mit der er uns auf den richtigen Weg leiten will. Wenn du Erfolg und Erfüllung in deiner Arbeit haben willst, höre (laut Taleb) zuerst auf dein Inneres. Also auf dein Bauchgefühl oder deine Intuition.
In der Praxis machen wir das zu selten: Wir lassen uns deshalb allzu oft von äußeren Einflüssen (ver)führen, jagen kurzfristigen Zielen hinterher und enden schließlich in Sackgassen-Jobs, die uns keine Perspektiven bieten und weder Erfüllung noch Wohlstand bringen.
Nun wirst du vielleicht über Personen lächeln, die bei Karriereentscheidungen auf ihr Gefühl hören, anstatt ihren Verstand zu benutzen. Aber Achtung! Es scheint, dass unser Unterbewusstsein mehrere tausend Mal schneller arbeitet als unser Bewusstsein(Quelle), weshalb unser Körper oft fühlt, dass etwas falsch läuft, lange bevor wir es in Worte fassen können. Unsere Intuition ist so gesehen fast immer ein guter Ratgeber.
Table
Prokrastination nicht überwinden, sondern als Feedback nutzen!
Ich versuche deshalb seit einiger Zeit eine einfache Regel umzusetzen:
Wenn ich bei einer Sache großen Widerstand spüre, mache ich sie nicht.
- Kunden, die mir ein schlechtes Bauchgefühl geben, versuche ich wieder loszuwerden
- Blog-Themen, für die ich mich einfach nicht zum Schreiben motivieren kann, schreibe ich nicht.
- Von Business-Projekten, für die ich keine Begeisterung verspüre, ziehe ich mich zurück.
Kritiker könnten nun einwenden, dass dies eine äußerst kurzfristige Vorgehensweise von mir ist und eben diese Strategie mich in naher Zukunft in eine berufliche Sackgasse befördern wird.
Tatsächlich ist es bis heute die beste Business-Strategie, die ich in meiner Karriere umgesetzt habe (auch wenn ich sie nicht immer zu 100% befolge).
Energieräuber
Denn als Selbstständige glauben wir oft, alles tun zu müssen, auch wenn wir uns innerlich dagegen sträuben, weil wir Angst haben:
- keine neuen Aufträge zu bekommen,
- in der Folge unsere Rechnungen nicht bezahlen zu können,
- um dann unsere Wohnung zu verlieren
- und schließlich als obdachloser Alkoholiker auf der Straße zu enden.
Das Paradoxe ist jedoch, dass ich – seit ich nicht mehr gegen meine Prokrastination kämpfe, sondern auf meine Intuition höre – viel produktiver bin. Und das hat sich auch positiv auf die Anzahl und Qualität meiner Klienten ausgewirkt.
Wie passt das zusammen?
Dinge, die mir permanent ein schlechtes Gefühl geben, wirken sich auf alle Bereiche meines Lebens negativ aus.
“Schlechte” Kunden (oder “schlechte” Projekte) sind so gesehen Energieräuber. Und ohne ausreichend Energie bediene ich alle meine Klienten schlechter, wodurch ich diese womöglich erst recht verliere.
Ich würde also ein negatives Momentum aufbauen und stetig in eine Abwärtsspirale hinabtrudeln.
Verschwende nicht deine begrenzte Energie
Deine täglichen Energiereserven sind äußerst begrenzt und lassen sich auch durch Training nur in einem sehr kleinen Umfang steigern.
Verschwenden wir unsere Energie mit schlechten Klienten, Projekten oder Vorsätzen, fehlt sie uns in den Bereichen, wo wir wirklich einen positiven Unterschied machen könnten.
Anders als “schlechte” Klienten, helfen dir “gute” Klienten dabei, positives Momentum aufzubauen. Und wie ich schon in meinem Beitrag “Wie Momentum für dein Business aufbauen?” geschrieben habe, wirst du plötzlich Erfolg anziehen, sobald du positives Momentum aufgebaut hast.
Plötzlich wirst du weiterempfohlen, du gehst viral und unverhofft will jeder mit dir zusammenarbeiten (auch deine Traumklienten). Denn wenn Leute sehen, dass du Momentum hast, wollen sie Teil dieses Momentums werden. Erfolg zieht Erfolg an.
“Aber Philipp! Das ist ein Ratschlag für Selbstständige, die das Privileg haben, sich ihre Arbeit auszusuchen. In meinem Job kann ich mir leider nicht aussuchen, mit welchen Klienten oder an welchen Projekten ich arbeiten muss.”
Stimmt! Aber wenn du in einem Job bist, der dir permanent ein schlechtes Gefühl gibt, ist es womöglich Zeit, diesen zu wechseln.
Es gibt 2 Arten von Prokrastination
Ich will hier selbstverständlich meinen Lesern nicht nahelegen, sich beim ersten Auftauchen von Problem oder Widerständen aus dem Staub zu machen. Denn auch Dinge für die du dich stark begeistern kannst, werden dir regelmäßig Steine in den Weg werfen. Aber auch aus solchen Steinen kann man bekanntlich Schönes bauen.
Sich für Projekte aufzuraffen, die langfristig einen hohen Return-on-Investment haben, kurzfristig jedoch im Vergleich zu anderen Tätigkeiten äußerst unattraktiv erscheinen, ist immer eine Herausforderung.
Und auch ich spüre fast jedes Mal einen inneren Widerstand, wenn ich neue Dinge anfange. Doch hier muss ich zwischen zwei Arten von Widerständen unterscheiden:
Ist der Widerstand auch während der Tätigkeit vorhanden und wird er vielleicht sogar stärker? Dann handelt es sich um einen Energieräuber.
Ist der Widerstand nur am Anfang da und sinkt gegen null, während ich die Tätigkeit ausführe? Fühle ich mich sogar energetisiert? Dann habe ich eine für mich sinnstiftende Tätigkeit gefunden.
Was sind deine langfristigen Visionen?
Anzufangen – den Stein ins Rollen zu bringen – ist das Schwierigste.
Gerade in unserer modernen Welt gibt es viele Ablenkungen, die uns davon abhalten, eben mit den Sachen zu beginnen, die für uns persönlich wirklich Sinn stiften würden.
Netflix, Computerspiele, Social-Media und Co geben uns permanent Dopamin-Kicks, gegen die der trockene Arbeitsalltag ziemlich lahm aussieht (auch wenn es sich um Aufgaben handelt, für die wir uns eigentlich begeistern könnten).
Doch es geht eben nicht nur darum, Spaß an der Arbeit zu haben – das ist moderne YOLO-Philosophie – sondern vor allem darum, seine Erfüllung zu finden. Und oft ist diese Erfüllung nicht über den einfachsten Weg zu finden.
Ein gutes mentales Modell zum Finden der Dinge, die für dich wirklich sinnvoll sind, ist die Frage, welche Sachen du am Sterbebett bereuen würdest, wenn du sie bis dahin nicht gemacht hättest.
Würdest du es bereuen, nicht alle Staffeln deiner Lieblingsserie geschaut zu haben? Ich hoffe nicht! Alte Leute bereuen hingegen fast immer die Dinge, die sie in der realen Welt nie gemacht haben, weil sie stattdessen den vermeintlich sicheren Weg gegangen sind.
Am Ende fängt alles mit einer einfachen Frage an: Warum tue ich etwas? Und wer schließlich sein “Warum” zu leben gefunden hat, erträgt fast jedes “Wie” und kann sogar hin und wieder auf Netflix verzichten.
Vielleicht lässt du mich in den Kommentaren wissen, was dein “Warum” ausmacht? Es würde mich interessieren!
Bis zu nächsten Mal,
dein Philipp