Ich gebe es ja zu: Dieser Titel klingt auf den ersten Blick wie Click Bait: Denn tatsächlich ist der Zettelkasten ein Second-Brain.
Ein Second Brain ist jedes System oder auch jedes Tool, das dich dabei unterstützt, Informationen für spätere Anwendungen zu speichern. Unter diese Kategorie fällt logischerweise auch der Zettelkasten.
Ein Problem ist jedoch, dass der Begrif Second Brain heute oft Synonym mit Tiago Fortes PARA Methode verwendet wird, die er als Second Brain bezeichnet.
in diesem Beitrag will ich daher die Zettelkasten-Methode nach Niklas Luhmanns mit Tiago Fortes Second Brain vergleichen.
Was ist ein Zettelkasten?
Die Zettelkasten Methode wurde vom deutschen Soziologen und Gesellschaftstheoretiker Niklas Luhmann erfunden, Dessen Zettelkasten bestand damals noch aus echten Karteikärtchen in Schuhkartons, die mittels Hyperlinks miteinander verlinkt waren.
Die physischen Zetteln zu ordnen und zu identifizieren, sowie verlinkte Zetteln zu finden, war damals in der zweiten Häöfte des 20. Jahrhunderts natürlich eine Heidenarbeit. Dank digitalen Tools wie Notion oder Obsidian, stellen diese Dinge heute jedoch keine große Herausforderung mehr da.
Auch physischer Platz ist kein Thema mehr.
Luhmann benötigte damals mehrere Schränke, um seine 90.000 Zetteln zu lagern, heute könntest du hingegen mehrere hundert Millionen Notizen lokal auf deiner Festplatte speichern, ohne dass dort der Platz knapp werden würde, und notfalls könntest du immer noch auf die Cloud ausweichen.
Im Kern ist der Zettelkasten ein System von Notizen, die miteinander durch Hyperlinks verbunden sind. Dieses System funktioniert ähnlich wie das World Wide Web. Die Notizen können (sollten) auch mit einem Keyword getagged werden, um sie schneller zu finden.
Mit der Zeit entwickelt der Zettelkasten ein Eigenleben. Es entsteht ein Web of Knowledge, durch das du navigieren kannst, wenn du Informationen zu einem Thema abrufen willst, und aufgrund der Flexibilität des Systems entstehen immer wieder überraschende neue Verbindungen. Informationen, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben, können so in einen kreativen Zusammenhang gebracht werden.
Was verstehen wir unter einem Second Brain?
Ein Seond Brain kann nun genau nach dem Zettelkasten-Prinzip fungieren, oder auch ganz anders aufgebaut sein.
Merke:
- Ein Zettelkasten ist ein Second Brain
- Ein Second Brain kann ein Zettelkasten sein, muss es aber nicht.
Bekanntheit erlangte der Begriff Second Brain in den letzten Jahren durch die Arbeit von Tiago Forte, der sich damit auf seine PARA Methode bezieht.
Wie funktioniert Tiago Fortes PARA Methode?
Der Name „PARA“ steht für die vier Teile von Tagos System:
- Projects
- Areas
- Resources
- Archives
Jeder dieser Teile hat eine spezifische Rolle und Struktur, die dir hilft, Informationen und Wissen zu organisieren:
1. Projects (Projekte)
Ein Projekt ist eine Reihe von Aufgaben, die zu einem bestimmten Ergebnis führen und einen Endpunkt haben. Projekte sind zeitgebunden.
Beispiele: Ein Blogpost schreiben, einen Vortrag vorbereiten, eine Veranstaltung planen.
Dadurch hat ein Projekt eine klare Deadline oder ein erkennbares Ende.
2. Areas (Bereiche)
Ein Bereich ist ein Aspekt Ihres Lebens oder Ihrer Arbeit, für den du eine bestimmte Verantwortung hast und den du überwachen musst, um sicherzustellen, dass er in einem akzeptablen Zustand bleibt.
Anders als bei Projekten gibt es keine klare Deadline, aber du musst deine Bereiche regelmäßig überwachen.
Beispiele: Gesundheit, Finanzen, berufliche Weiterentwicklung, familiäre Beziehungen.
3. Resources (Ressourcen)
Ressourcen sind Themen oder Fächer von anhaltendem Interesse, die über die Zeit hinweg studiert werden können. Im Gegensatz zu Projekten und Bereichen sind sie nicht unbedingt „aktiv“ in dem Sinne, dass du sie regelmäßig überprüfen oder aktualisieren musst.
Beispiele: Ein Handbuch, ein Kurs über digitales Marketing, eine Liste von Lieblingsrezepten.
4. Archives (Archive)
Informationen, die du aktuell nicht aktiv nutzt oder benötigst, aber für zukünftige Referenz oder aus anderen Gründen aufbewahren möchtest, werden in den Archiven abgelegt.
Beispiele: Abgeschlossene Projekte, alte Finanzdaten, abgelaufene Verträge.
Warum ich Tiago Fortes Second Brain nicht gut finde
Wir sehen, Tiagos Second Brain ist mehr als nur ein Second Brain, es ist vielmehr ein Life Management System
Ein Punkt der mich stört ist, dass für jedes Projekt ein eigener Ordner aufgebaut wird.
Angenommen ich schreibe ein Buch über Mediterrane Küche und habe eine interessante Erkenntnis über Olivenöle herausgefunden, dann würde ich diese Information im Projektordner Mediterrane Küche abspeichern.
Was aber nun, wenn meine Olivenöl-Erkenntnis auch für den Bereich Ernährung wichtig ist?
In den meisten Fällen würde ich ein Duplikat anfertigen. Doch wenn ich nun an meinem Buch arbeite und die Notiz im Projektordner erweitere, unterscheidet sie sich bald von der Notiz im Bereich Ernährung. Neue Erkenntnisse kommen dort gar nicht an.
Es besteht also die Gefahr, dass ich bald eine Vielzahl von Duplikaten habe, die sich in kleinen Details voneinander unterscheiden.
Der Hauptunterschied zwischen einem Zettelkasten und Tiagos PARA Second Brain ist, dass der Zettelkasten mitels Links und Tags organisiert wird, PARA hingegen auf eine Ordnerstruktur setzt.
Ich bin kein großer Freund von Ordnern, weil Ordner eine unnötige Grenze zwischen den Dateien ziehen.
Sie sind starr, sie sind unflexibel, sie behindern die Kreativität.
Eine großartige Alternative zu Ordnern sind Tags. Diese sind flexibel, denn ich kann jeder Notiz mehrere Tags geben und sie so mit verschiedenen Projekten gleichzeitig verbinden.
Die Notiz liegt nicht in Projekt A, B oder C oder In Area 1, 2 oder 3, Nein! Sie liegt im Zettelkasten, ist aber auch Teil aller Projekte, mit denen sie verlinkt ist.
Tags lassen im Vergleich mit Ordnern deutlich mehr Kreativität zu, da sich durch die flexible Verlinkungen oft überraschende neue Erkenntnisse ergeben. Das ist auch eines der Hauptprinzipien der Kreativität: Dinge miteinander in einem neuen Kontext zu verbinden, damit sich gänzlich neue Erkenntnisse ergeben, von denen du zuvor nichts geahnt hast.
Fazit – Zettelkasten vs. PARA
Tiago Forte hat mit seinem Second Brain den Nerv der Zeit getroffen.
Wir leben in einer Periode des Informationsüberflusses. Es gibt heute keinen Mangel mehr an Informationen, nur einen Mangel an guten oder für die Situation passenden Informationen.
Für Akademiker, Wissensarbeiter oder Künstler, ist es deshalb wichtig, dass sie ihre Notizen mit einem System verwalten, damit Informationen, Wissen oder Erkenntnisse für spätere Zwecke abrufbar bleiben.
Ich bin Tiago sehr dankbar, dass er das Bewusstsein für diese Herausforderung geschärft hat, glaube jedoch nicht, dass seine PARA Methode die bestmögliche Lösung darstellt.
Zugegeben: Das ist alles auch eine Frage der Persönlichkeit.
Für manche scheint sein Konzept zu funktionieren, für viele ist es jedoch unnötig kompliziert.
Auch der Zettelkasten wirkt für neue Nutzer auf den ersten Blick unnötig kompliziert. Denken wir nur an all diese komischen Namen, die mit diesem Konzept verbunden sind: Fleeting Note, Literature Note etc.
Im Grunde funktioniert der Zettelkasten jedoch ganz einfach.
Schreibe Notizen. Tagge sie mit einem keyword. Verlinke sie mit anderen Notizen.
Mehr must du nicht machen, um mit deinen Zettelkasten zu starten, und innerhalb weniger Monate ein Wissensnetz aufzubauen.
Diese Einfachkeit und Simplizität ist es, was mich an dieser Methode so begeistert.
PS: Ich habe öfters das berechtigte Feedback bekommen, dass mein Notion Zettelkasten Template, sehr kompliziert sei. Aus diesem Grund habe ich nun auch eine „einfache“ Variante des Notion Templates ohne Advanced Features und anderem Schnickschnack erstellt, die sich an Anfänger richtet, aber auch an Personen, die einfach nicht so viele Notizen abspeichern müssen.